Papst Johannes XXIII
Heiliger Johannes XXIII. (mit bürgerlichem Namen: Angelus Joseph Roncalli)
Geburtstag
25. November 1881 Sotto il Monte, Italien
Sterbetag
3. Juni 1963 Vatikanstadt, Vatikanstaat
Seligsprechungstag
September 2000 Rom, Italien
Heiligsprechung
Seine Heiligsprechung fand am 27. April 2014, dem Barmherzigkeitssonntag, statt.
Gedenktag
Auszug aus seiner Mondscheinrede
«Geliebte Kinder, ich höre eure Stimmen. Meine Stimme ist nur eine einzige, aber sie nimmt die Stimmen der ganzen Welt in sich auf. Hier ist in Wirklichkeit die ganze Welt vertreten. Man könnte meinen, sogar der Mond hätte sich heute Abend besonders beeilt, um dieses Ereignis mitzuerleben. Seht, wie er dort oben strahlt! Ihm ist bekannt, dass wir den Abschluss eines großen Tages des Friedens feiern, ja des Friedens...
Wenn ihr nach Hause zurückkehrt, dann werdet ihr dort eure Kinder vorfinden: Gebt ihnen einen Kuss und sagt ihnen: Der ist vom Papst. Ihr werdet vielleicht auch Tränen zu trocknen haben, habt dann ein Wort des Trostes für die Betrübten und Niedergeschlagenen. Sie sollen wissen, dass der Papst besonders in traurigen und bitteren Stunden bei seinen Kindern ist»
(Johannes XXIII., «Mondscheinrede» am Abend der Eröffnung des Zweiten Vatikanums).
Vorwort
Sein Bild hängt in Italien fast überall, man nennt ihn noch heute Papa Giovanni, papa buono (gütiger Papst) und die Schlange von Pilgern vor seinem gläsernen Sarkophag im Petersdom nimmt Tag für Tag kein Ende. Papst Johannes XXIII., der Bauernsohn aus der Provinz Bergamo, vermochte, die Herzen der Menschen zu berühren. Die Menschen vergaßen die sogenannte «Mondscheinrede» nicht und sie spürten, was Johannes Paul II. später so formulierte: «Papst Johannes war wirklich ein Mann, der von Gott gesandt war.»
Mementote praepositorum vestrorum - «Denkt an eure Vorsteher!» Mit diesen Worten aus Hebr 13,7 beginnt das Apostolische Schreiben, in dem festgehalten wurde, dass Johannes XXIII. von seinem Nachfolger auf dem Stuhl Petri zum Seligen der Kirche erhoben wurde. Die Kirche und mit ihr die Menschen aller Konfessionen und Religionen haben den Vorsteher der katholischen Kirche nie vergessen, der als wahrer «Pontifex» zum Brückenbauer zwischen den Menschen, Kulturen und Religionen wurde und dennoch das eigene Glaubensprofil als treuer Diener der katholischen Kirche stets treu bewahrte.
Biografie
Angelus Joseph (Angelo Giuseppe) Roncalli wurde am 25. November 1881 in Sotto il Monte (Diözese Bergamo) als viertes von 14 Kindern geboren. Nach seiner Militärausbildung und der Promotion in Theologie 1904 in Rom empfing er die Priesterweihe, war von 1905 bis 1914 Sekretär des Bischofs von Bergamo, Mons. Jakob Radini-Tedeschi, und wirkte zudem als Professor für Kirchengeschichte, Apologetik und Patrologie am Priesterseminar von Bergamo. Ab Mai 1915 diente er während des Krieges Italiens gegen Österreich-Ungarn als Sanitätsoffizier und Militärkaplan, von 1919 ab als Spiritual des Priesterseminars und wurde schließlich von Papst Benedikt XV. zum Päpstlichen Hausprälaten («Monsignore») ernannt und als Präsident des Zentralrates des Päpstlichen Missionswerkes nach Rom berufen.
Am 19. Mai 1925 wurde Roncalli zum Titularerzbischof von Aeropolis geweiht und als Apostolischer Visitator von Bulgarien in den diplomatischen Dienst der Kirche gestellt. Als Wahlspruch für sein bischöfliches Wirken wählte er: Oboedientia et Fax - Gehorsam und Frieden. 1935 ernannte ihn der Heilige Stuhl zum Apostolischen Delegaten für die Türkei und Griechenland mit Sitz in Istanbul.
1944 wurde er von Papst Pius XII. zum Apostolischen Nuntius in Frankreich, 1953 zum Kardinalpriester der Heiligen Römischen Kirche mit der Titelkirche S. Prisca und zum Patriarchen von Venedig ernannt.
Nach dem Tod von Papst Pius XII. wählten die Kardinale am 28. Oktober 1958 Angelo Giuseppe Roncalli zum Oberhaupt der Kirche und zum Bischof von Rom. Er wählte den Namen Johannes, in Erinnerung an den Namen seines Vaters und des Patrons seiner Taufkirche. Bereits drei Monate nach seiner Wahl kündigte er am 25. Januar 1959 das Zweite Vatikanische Konzil an, das er am 11. Oktober 1962 in Gegenwart von Bischöfen aus 133 Ländern eröffnete, dessen Ende er jedoch nicht mehr erlebte. Mit diesem 21. Ökumenischen Konzil schlug er ein neues Kapitel der Kirchengeschichte auf. Am Abend des 3. Juni 1963 verstarb Papst Johannes XXIII. an einem Krebsleiden.
Papst Johannes Paul II. schrieb ihn im Heiligen Jahr 2000 in das Verzeichnis der Seligen ein. Sein liturgischer Gedenktag ist alljährlich der 11. Oktober, der Tag der Konzilseröffnung.
Pontifikat
Die Amtszeit Roncallis als Oberhaupt der Kirche währte nur knapp fünf Jahre. Bei seiner Wahl sprachen viele von einem «Übergangspapst», der jedoch die Zeit nutzte, der Kirche ein neues Profil zu geben, das das Alte bewahrt und sich dem Neuen öffnet. Er selbst sagte einmal: «Tradition heißt: das Feuer hüten, nicht: die Asche aufbewahren.» Johannes XXIII. wollte mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils zum einen an das Erste Vatikanum anknüpfen, das nicht mehr zu seinem Ende gebracht werden konnte. Zum anderen sah er auch, dass die Kirche seiner Zeit vor großen Herausforderungen stand: Die Technik eroberte die Welt, der Kommunismus stellte für viele eine Alternative zur kirchlich-ethischen Weltanschauung dar und auch das Antlitz der Kirche im Inneren benötigte ein aggiornamento, ein «Heutigwerden», eine Aktualisierung. Er wollte die Kirche mit den Mitteln ausrüsten, die sie brauchte, um das Evangelium auf dem ganzen Erdenrund nicht verstummen zu lassen.
In seiner bekannten Ansprache Gaudet Mater Ecclesia (Es freut sich die Mutter Kirche) sagte er: «Ganz spontan blicken wir zu Beginn dieses Allgemeinen Konzils auf die Vergangenheit zurück: wie Stimmen, deren Echo uns ermutigt, wollen wir die Erinnerung an die verdienstvollen Taten unserer Vorgänger, der Päpste aus ferner und naher Vergangenheit, wieder wachrufen.
Es sind beeindruckende und verehrungswürdige Stimmen, die das Zeugnis der Konzilien des Ostens und des Westens, vom vierten Jahrhundert über das Mittelalter bis in die Neuzeit übermitteln. So verkünden sie ständig den Ruhm dieser göttlichen und menschlichen Institution, d.h. der Kirche, die von Jesus ihren Namen, ihre Gnadengaben und ihre Wesensbestimmung erhält» (3). In seinem kurzen Pontifikat verfasste Papst Johannes XXIII. acht Enzykliken, von denen besonders die Sozialenzyklika Mater et Magistra (1961) und die Friedensenzyklika Pacem in terris (1963) hervorzuheben sind, die als sein geistliches Testament betrachtet werden dürfen.
Innerkirchlich schuf er eine Atmosphäre des Dialogs, erweiterte das Kardinalskollegium und schuf 1960 das «Sekretariat für die Einheit der Christen». Während des Konzils übte er keinen Einfluss auf die Konzilsväter aus und war einer unter ihnen, der primus interpares, der Erste unter den Gleichen. Zudem sprach er sich deutlich für die Beibehaltung des Lateinischen als der unveränderlichen Sprache der Kirche aus, strich in der Karfreitagsfürbitte das auf die Juden bezogene Adjektiv «ungläubig», führte in Rom wieder die Fronleichnamsprozession ein und besuchte in seiner Eigenschaft als römischer Bischof Gefängnisse, Krankenhäuser und Priesterseminare. Nach außen hin war er geschätzter Gesprächspartner zahlreicher bedeutender Staatsmänner.
Bedeutung für das Heute
Der Charakter Roncallis war gekennzeichnet von Liebe zu den Menschen, von Weitsicht, vom Mut zur Offenheit. Als Kind hatte er Armut am eigenen Leib erfahren müssen und er lernte als junger Bischofssekretär von seinem Dienstherrn, dass die Kirche das Evangelium nur dann glaubwürdig verkünden konnte, wenn sie den Menschen in seiner ganz konkreten Lebenssituation ernst nehmen konnte.
Gerade als Diplomat der Kirche im Bischofsrang war der behäbig wirkende Roncalli nicht nur ein geschickter Taktiker, er war vor allem Seelsorger. In Bulgarien, der Türkei und in Griechenland war seine Aufgabe, die katholische Minderheit in diesen Ländern zu stärken. Die Menschen erlebten einen Mann des zwischenmenschlichen, ökumenischen und interreligiösen Dialogs. Während des Zweiten Weltkriegs leistete er in Griechenland selbst karitative Unterstützung und verhalf zahlreichen Juden zur Flucht aus dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Ungarn.
Als Nuntius von Frankreich kam er in das von der Französischen Revolution und vom Zweiten Weltkrieg geprägte Frankreich, wo er sich unter Präsident De Gaulle Respekt verschaffte und Verwundungen durch Vertreter der katholischen Kirche wieder heilen konnte.
Als Patriarch Venedigs durfte Kardinal Roncalli dann fünf Jahre lang Seelsorger sein. In tiefer Verehrung gegenüber seinem Vorgänger, dem hl. Laurentius Giustiniani (gestorben 1456), wirkte er in seinen Fußstapfen als guter Hirte inmitten der Seinen mit unermüdlicher Hingabe.
Zum Papst gewählt, wusste er, dass die Menschen sich an seinem Hirtenstab orientierten. Er ging Wege zu denen, die andere Vorstellungen als die Kirche hatten. Er kritisierte, was zu kritisieren war, aber im Dialog mit jenen, die anderer Meinung waren. Als früherer Diplomat auf schwierigen Territorien lernte er, dass der Dialog Grenzen verdeutlichen, aber Mauern verhindern konnte. Papst Roncalli macht uns bewusst, dass die Grenze keiner Mauer bedarf, wenn man im Gespräch bleibt. Angst schaffe nur Misstrauen und sie ist das beste Fundament einer Mauer. Sein Wirken ermutigt die Menschen zur Neubelebung von Psalm 18: «Mit meinem Gott überspringe ich Mauern» (30).
Papst Johannes XXIII. war kein Mann der großen Worte, aber was er sagte und schrieb, das saß, war durchdacht und wohl überlegt, «Mehl aus dem eigenen Sack», wie er es nannte. Wie Jesus, der tagsüber im Tempel lehrte, aber die ganze Nacht am Ölberg im Gespräch mit seinem Vater verbrachte (vgl. Lk 21,37), wuchs die Weisheit des Papstes durch das tägliche Stundengebet der Kirche, dem Rosenkranzgebet und die Hingabe an den eucharistischen Christus.
Seit 1895 führte er sein heute sehr bekanntes «Geistliches Tagebuch» (Giornale dell' anima), das erst nach seinem Hinscheiden bekannt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Es zeugt von der tiefen inneren Spiritualität eines Mannes. Bekannt sind vor allem die «zehn guten Vorsätze», die er darin festhielt. Einer lautet: «Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an mich und meine Wünsche anpassen.» Ein anderer: «Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben.»
Sie offenbaren den geistlichen Charakter Roncallis: Ich muss mich den Umständen stellen, ohne Angst davor zu haben, dass Gott nicht auf meiner Seite steht.
So konnte «der Übergangspapst», der er tatsächlich war, der Kirche jene Initialzündung zu einem Konzil geben, vor dem keiner Angst zu haben brauchte und braucht, denn die Kirche musste und muss sich den Umständen anpassen, jedoch ohne zu verlangen, dass sich die Umstände der Kirche anpassten. Johannes wusste, dass dies utopisch gewesen wäre. Aber als Lenker des Schiffleins Petri musste er die Segel hissen, er musste sie dem Wind des Heiligen Geistes aussetzen, jenem Geist, der dort weht, wo Menschen sind. Der selige Märtyrerpriester Liborius Wagner (gestorben 1631) drückte es in seinem «Heilig-Geist-Gedicht» so aus:
«Bist du mein Führer, so gebe ich mein Segel furchtlos den Winden. Bist du mein Führer, so fürchte ich nicht die Wogen des Meeres, noch des Sturmes rasende Wut. Bist du mein Führer, so wird mein gesichertes Boot die rettende Küste erreichen.»
In dieser Gewissheit erhob Johannes mit dem Zweiten Vatikanum «die Fackel des Glaubens» (Gaudet Mater Ecclesia, 17), damit die rhetorische Frage Jesu in der Kirche wieder gehört werden konnte: «Zündet man etwa ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber oder stellt es unter das Bett? Stellt man es nicht auf den Leuchter» (Mk 4,21)? Angst vor den Herausforderungen der Zeit hieße demnach nichts anderes, als habe das Evangelium keine Kraft, ja, keine Leuchtkraft, als könnten es jene ausblasen, die es nicht ertragen konnten oder dulden wollten. Angst hieße Rekapitulation vor den Feinden der Kirche. Angst hieße, die Chance zu vertun, denen, die im Schatten leben, die Chance des Lichts zu nehmen. Denn Gott wollte, «dass alle Menschen gerettet und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen sollen» (1 Tim 2,4). Jene Angst ist auch ein Schlag dem petrinischen Versprechen ins Gesicht, dass die Mächte der Unterwelt die Kirche nie bezwingen können (vgl. Mt 16,18), als sei die Kirche auf Sand und nicht auf Petrus, einem Felsen, gebaut! Denn nur die Kirche, so war der selige Johannes XXIII. überzeugt, «öffnet den Zugang zur lebensspendenden Quelle der Lehre, die die Menschen im Lichte Christi erkennen lässt, wer sie in Wahrheit sind, welche Würde ihnen zukommt und was ihre Bestimmung ist» (Gaudet Mater Ecclesia, 17).Johannes XXIII. wollte mit einem Konzil als Pontifex Maximus der Brückenbauer zwischen Angst und Mut, zwischen Licht und Schatten, zwischen ewigen Bewahrern und zu Fortschrittlichen, zwischen Gestern und Morgen sein. Besser drückt er es selbst aus: «Ich bin der Papst derer, die Gas geben und derer, die aufs Bremspedal treten.»
Johannes XXIII. war ein pfingstlicher Mensch, der dem Heiligen Geist den Raum gab, das Antlitz der Erde zu erneuern, auch sein persönliches Antlitz (vgl. Ps 104,30). Als solcher sah er sich gesandt zu allen Menschen, seien sie von gesellschaftlicher Bedeutung oder von Armut geprägt. Weil der Geist Gottes aber nicht parteiisch ist, so konnte auch der geisterfüllte Johannes keine Unterschiede machen, wo vom Schöpfer der Welt keine geschaffen wurden. So schreibt er in seiner Sozialenzyklika Mater et Magistra: «Das Leben der Menschen muss nämlich von allen für etwas Heiliges gehalten werden: denn es erfordert von seinem Anbeginn an das Wirken Gottes, des Schöpfers. Wer deshalb von diesen Geboten abweicht, verletzt nicht nur die Majestät Gottes selbst und drückt sich und dem Menschengeschlecht ein Schandmal auf, sondern schwächt auch die innersten Kräfte seines Staates» (447).
So begegnete er allen wie ein guter Vater: den gewöhnlichen Menschen und den Mächtigen der Erde.
Selig bist du zu nennen, Vater Johannes, weil dein Hirtenstab Liebe war. Selig bist du zu nennen, weil deine tiefe Weisheit und dein unerschütterlicher Humor jene beschämte, deren Lehrer die Angst war. Selig bist du, weil du die Zeichen der Zeit im Licht der Tradition gedeutet und erkannt hast. Selig bist du, Johannes, weil du geglaubt hast, dass zwischen Groß und Klein gar kein Unterschied besteht. Selig bist du zu nennen, weil durch deine prophetische Eingebung ein Zeitalter der Hoffnung für die Christen und die Menschheit eröffnet wurde. Selig bist du aber auch, weil du die Türen der Kirche geöffnet hast, damit der Geist Gottes selbst jenes Feuer am Leben erhalten konnte, das Christus auf die Erde warf (vgl. Mt 13,41). Selig bist du zu nennen, weil die Brücke dein Weg war zu jenen, zu denen Christus als erstes ging. Selig nennen wir dich, weil dein Gehorsam Gott gegenüber uns offenbart, dass der Friede auf der Welt möglich ist.
Seliger Johannes XXIII., bitte für uns.
Mit freundlicher Genehmigung des CHRISTIANA-VERLAGEs entnommen dem Buch "Die neuen Heiligen der katholischen Kirche, Band 6"
(Quellenangabe: Stefan Wirth, Die neuen Heiligen der katholischen Kirche, Band 6)
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