Loreto

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Loreto

eine Bischofsstadt, liegt sechs Stunden von Ankona entfernt, in fruchtbaren Italien, auf einem lachenden, mit Bäumen besetzten Hügel. Durch die Hauptstrasse kommt man direkt auf den höchsten Punkt des Hügels, den eine prachtvolle Kathedrale mit stolzer Kuppel überwölbt und, von einem schönen Glockenturm flankiert, machtvoll und majestätisch beherrscht. Es ist dies die kostbare Schale eines noch kostbaren Kerns: die Loreto-Kathedrale birgt in sich jenes heilige Haus von Nazareth, in dem das göttliche Wort Fleisch geworden.

Der hl. Evangelist Lukas berichtet

"Es wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt Galiläas, Nazareth mit Namen, zu einer Jungfrau, die mit einem Manne vom Hause Davids verlobt war, welcher Joseph hieß, und der Name der Jungfrau war Maria.

Und der Engel kam zu ihr herein und sprach: 'Gegrüßet seist du, voll der Gnade; der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern! Du wirst empfangen und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus heißen. Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden.' Maria aber sprach: 'Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!' "

(Luk. 1,26ff.). "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und Gott war das Wort" (Joh. 1,14,1). Zwar war es nicht in Nazareth, wo die wunderbare Weihnacht der Geburt Christi sich vollzogen; aber hier hat seine heilige Menschwerdung den Anfang genommen, und hier brachte Er nach der Rückkehr aus Ägypten den größten Teil seines Lebens - bis zum dreißigsten Jahre - bei Maria, seiner liebsten Mutter und unter dem Schutze seines hl. Pflegevaters zu. Hier ist auch der Schauplatz zu dem Wort des hl. Lukas: "Und Er zog mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan... Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gnade bei Gott und den Menschen" (Luk. 1,51,52). ==Dass das heilige Haus von Nazareth==,

das so glücklich war, Gott in Menschengestalt in sich zu bergen, Maria, der reinsten Gottesbraut, und dem jungfräulichen Pflegevater St. Joseph Obdach zu gewähren, nachdem einmal Christus und schließlich auch Maria es verlassen, von den Aposteln und ersten Christen hochheilig gehalten wurde, das versteht sich von selbst. Und wir glauben es dem hl. Hieronymus recht gerne, wenn er zu berichten weiß, dass schon in den Tagen der Apostel dasselbe in ein christliches Heiligtum umgewandelt wurde. Schon früher pilgerten besonders aus dem Abendland fromme Scharen nach den Stätten, die der Schauplatz des Lebens und Sterbens des Gottmenschen gewesen, und dabei galt ihr regelmäßiger Besuch selbstverständlich auch dem kleinen Heiligtum des heiligen Hauses. Eine kaiserliche Pilgerin, die Mutter Konstantins, St. Helena, ließ auch über dieser Stätte, wie über so viele andere, eine prachtvolle Kirche bauen. Der Pilgerstrom zu diesem Heiligtum flutete dort, bis die Eroberer des Landes, die Sarazenen, denselben versiegen machten. Noch einmal, zur Zeit der Kreuzzüge, lebten die alte Liebe und Anhänglichkeit des Abendlandes zu den heiligen Stätten und damit auch die Pilgerfahrten dahin wieder auf, aber es war ihr nur kurze Dauer beschieden. Der Erbfeind der Christenheit, die Mohammedaner, wurden Herren des heiligen Landes, und so ging das heilige Haus der Verwahrlosung entgegen. Aber nun, wie ist dann das heilige Haus jetzt nach Loreto gekommen; hat man das Haus in Nazareth niedergelegt und es aus dem alten Material in Loreto wieder aufgebaut? Es wäre auch damit schon eine heilige Stätte. Allein dem ist nicht so, die Tatsache, dass und wie dasselbe nach Loreto gekommen, ist eine ganz auffällige und wunderbare. Es gibt zwar in neuester Zeit, hat es aber auch früher schon gegeben, Leute, die an allen heiligen Überlieferungen herumnörgeln, und alles, was nicht mit zeitgenössischen Briefen und Siegeln ihnen bezeugt vorliegt, das wird einfach als unecht und unwahr angetastet, wenn es auch die herrlichsten und liebsten Orte und Dinge sind, die man damit dem Volke antastet, das diese Liebe und Verehrung von Vater und Grossvater und Urgrossvater usw. herüberbekommen hat. Dieses gewiss auch wichtige Dokument für die Wahrhaftigkeit und Echtheit so mancher heiliger Orte übersehen aber manche heutige sogenannte Geschichtsforscher und kommen eben damit dazu, so manches wenigstens, wie sie sagen, nicht beweisen zu können und anderes ganz abzuweisen. So ging es auch dem Heiligtum von Loreta. Wir nehmen aber davon keine weitere Notiz, umsoweniger, da gerade neuestens das heilige Haus von Loreto in seiner Echtheit mit Grund und Erfolg verteidigt wird, und wir folgen den Berichten, wie sie uns Tursellini glaubwürdig nach der Überlieferung und nach Schriftstücken, die heute verloren sind, berichtet.

Versetzung nach Loreto

Eines schönen Morgens, am 10. Mai 1291, erblickten die Bewohner von Raunizza, am östlichen Ufer des Adriatischen Meeres, zwischen Fiume und Tersato in Dalmatien, an einem Ort, der bisher kein Gebäude aufwies, ein Haus von ganz fremder, ungewohnter Bauart. Beim näheren Zusehen fand man, dass dasselbe auch keine Fundamente hatte, die Mauern aber doch fest und sicher auf dem Boden auflagen. Im Innern fand man einen Altar, ein Muttergottesbild, ein Kruzifix und schöne Malereien an den massiven Wänden. Es war das Haus 32 Fuß lang, 13 Fuß breit und 18 Fuß hoch, die Wände 2 Fuß dick; auch war es nicht, wie es im Lande Brauch war, aus regelmäßigen Steinen gemauert, sondern aus unregelmäßigen rötlichen Steinen gebaut und übermörtelt. Aber woher das Haus kam, wer es errichtete? Niemand wusste Auskunft, aber alles war mit Staunen und Furcht erfüllt. Die Aufklärung sollte kommen. Der Bischof von Tersato, Alexander, lag seit längerer Zeit darnieder, ohne Hoffnung, wenigstens nicht auf baldige Genesung. Der hörte von der Sache, bittet nun die allerseligste Jungfrau, sie möchte ihn gesund machen, damit er ihr neues Heiligtum besuchen könne. In einer unruhigen Nacht zwischen Schlummer und Wachen erschien ihm plötzlich die allerseligste Jungfrau. Sie munterte ihn auf und erklärte ihm u. a., dass sie gekommen sei, ihn gesund zu machen. Das Haus, das in der Gegend zwischen Fiume und Tersato sich neulich plötzlich eingefunden, sei ihr Haus, in dem sie vom Heiligen Geiste Gottes Sohn empfangen. Es hätten nach ihrem Heimgange die Apostel dasselbe zum Gottesdienste verwendet und in hohen Ehren gehalten. Und so sei es lange Zeit von seiten der Christen geschehen. Jetzt aber, da in Palästina der christliche Glaube verschwunden, hätten Engel das heilige Haus durch die Lüfte an diese Meeresküste versetzt. "Und damit du keinerlei Zweifel hegst," fügte die heiligste Jungfrau bei, "schenke ich dir zum Beweise dessen, was du gehört hast, sofort die Gesundheit." Er war geheilt, und dieses erste Wunder in Beziehung zu dem so rätselhaft erschienenen Hause ward auch wirklich vom Volk als Bestätigung von der Wahrheit der Aussage des Bischofs angenommen, und das Volk eilte jetzt von allen Seiten zu dem heiligen Hause, Gott lobend und preisend für die ihm erwiesene grosse Gunst und Ehre, dieses heiligste Haus auf Erden besitzen zu dürfen.

Prüfungen

Damit aber die Sache ausser allem Zweifel stehe, dass es sich wirklich um das heilige Haus von Nazareth handle, ließ der Statthalter von Dalmatien, Nikolaus Frangipani, auf eigene Kosten eine Gesandtschaft von vier einsichtsvollen und würdigen Männern nach Nazareth verreisen. An Ort und Stelle fand diese Kommission das Haus bis auf die Fundamente verschwunden, und zwar stimmte auch die Zeit des Verschwindens mit der Zeit des Auftauchens desselben Hauses in Fiume. Ebenso stimmten auch die Maße der Mauern und der Umfang des Hauses zu den Fundamenten in Nazareth. Es erschien somit zweifellos, dass das echte heilige Haus wunderbar nach Dalmatien übertragen worden war. Der Bischof ließ daher einen feierlichen Gottesdienst ansagen, und die Freude und der Jubel in ganz Dalmatien war unbeschreiblich. Aber siehe, kaum waren drei Jahre und sieben Monate verstrichen, seit der wunderbaren Ankunft des heiligen Hauses in Raunizza, als dasselbe eines Morgens ebenso plötzlich, wie es gekommen, auch wieder verschwunden war. Die guten Dalmatiner waren darüber um so untröstlicher, weil sie nicht wussten, wohin das Heiligtum sich gewendet hatte.

Zeichen der Echtheit

An der Dalmatien gegenüberliegenden Küste von Italien hielten Hirten in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1294 bei Rekanati die Wache bei ihren Herden, als sie plötzlich im nahen Walde eine ungewöhnliche Helle bemerkten. Erschrocken hinzugetreten beobachteten sie, wie ein Haus durch die Lüfte von der Meeresküste einherschwebte. Die Baumgipfel verneigten sich ehrfurchtsvoll vor demselben. Etwa eine Meile vom Meer entfernt ließ es sich inmitten des Waldes nieder. Zagend nahten die Hirten und fanden das Haus, ohne Fundament, aber trotzdem fest und sicher mit den Mauern auf dem Boden aufstehend. Die Bauart war fremdartig und von der in Italien gebräuchlichen ganz verschieden. Innen war ein Altar und ein Bild der Mutter Gottes mit dem Jesuskinde nebst einigen anderen Bildern. Voll heiliger Freude und mit unbeschreiblicher Wonne erfüllt, blieben die Hirten darin und beteten bis zu Tagesanbruch. Alsdann meldeten sie in der Stadt Rekanati, was sie erlebt. Junge und Alte und Gesunde eilten herbei, sogar Kranke wurden herbeigetragen, und schon in den ersten Stunden geschahen wunderbare Heilungen. Der Wald, in welchem das heilige Haus sich niedergelassen, war Eigentum einer ebenso reichen als frommen Frau von Rekanati, Laureta mit Namen, woher dann die Bezeichnung "Lauretum, lauretanisches Haus" und das italienische "Loreto" stammt. Der Pilgerstrom wuchs zusehends, aber mit den Pilgern erschienen auch Räuberhorden, die den Wald unsicher machten. Da hob sich auf einmal das Haus auch von dieser Stelle weg und stand eines schönen Tages etwa tausend Schritte weiter oben auf der freien Anhöhe, dem Grundstück zweier Brüder. Acht Monate war es im Wald gestanden. Auch diese machten sich offenbar des Geschenkes der heiligsten Jungfrau unwürdig, indem sie wegen der Opfergaben der Pilger miteinander in Streit gerieten. Es wechselte also das Haus nochmals den Platz, nun schon zum dritten Male innerhalb Jahresfrist, und stand auf einmal mitten auf der Landstrasse nach Rekanati. Hier war nun sowohl für Sicherheit als auch für Frieden gesorgt, und da steht nun das heilige Haus bis auf den heutigen Tag. Natürlich war durch diese wunderbaren Verschiebungen das Staunen und zugleich das Vertrauen zum Heiligtum immer mehr gestiegen, aber immer wusste man noch nicht, woher das Haus und welche Bewandtnis es mit demselben habe. Da brachten italienische Kaufleute die Kunde von dem wunderbaren Ereignis zufällig nach Dalmatien. Es erschienen von dorther dann auch in Loreto Pilger, die unter Tränen bezeugten, dass dies das heilige Haus von Nazareth sei, das eine Zeitlang bei ihnen gestanden, aber ebenso wunderbar und plötzlich, wie es gekommen, auch verschwunden war. In ganzen Scharen kamen die Dalmatier jetzt über das Meer; stundenlang knieten sie vor dem heiligen Hause und flehten mit ausgebreiteten Armen und unter Tränen Maria an: "Kehre zurück, schöne Herrin, kehre zu uns zurück, o Maria, mit deinem Hause!" Umsonst, das heilige Haus blieb, wo es heute noch steht, in Loreto.

weitere Untersuchungen

Seitens des Magistrates von Recanati wurden nun wiederum zur genauen Feststellung 16 Mann nach Tersato und Nazareth geschickt. Das Resultat der Forschung war dasselbe, wie es die erste Gesandtschaft früher aus dem Orient gebracht, es stimmte alles vollkommen, so dass jeder Zweifel ausgeschlossen blieb. Eine weitere Untersuchung ließ dann Papst Clemens VII. veranstalten, welche wie die früheren die Echtheit bestätigte. Unter Pius IX. wurde im Jahre 1860 vom römischen Forscher Bartolini vom mineralogischen und chemischen Standpunkt aus das Heiligtum untersucht und es ergab sich, dass die Steine überhaupt in Italien nicht vorkommen. Um aber unparteiisch vorzugehen, reiste er nach Nazareth, nahm von den Fundamentüberresten des heiligen Hauses Steine und Mörtelstücke mit und übergab dieselben mit Steinen und Mörtel des Hauses von Loreto dem Inuversitätsprofessor Dr. Ratti in Rom. Das Resultat der Untersuchung des Professors war, dass sowohl die Steine als der Mörtel von beiden Proben dieselben wären. Der Mörtel erwies sich zudem von ganz anderer Art, als er je in Italien gebraucht wurde. Nach all diesen Proben hat man wohl auch heute noch das Recht mit Tursellini zu sagen: "An einer so sehr bezeugten und erforschten Sache kann nur der zweifeln, welcher entweder an der Macht und Vorsehung Gottes zweifeln oder den menschlichen Glauben aus der Welt verbannen will." Fügen wir noch bei, dass die unzähligen Wunder, die zu Loreto gewirkt, doch wohl auch einen Beweis der Echtheit bilden, und dass es schwer geht, anzunehmen, der liebe Gott habe sozusagen zur Bestätigung eines wenn auch frommen Betrugs, durch Mariens Fürbitte wunderbare Gebetserhörungen gewährt.

Heilung/Gebetserhörungen

Rom selbst, das sonst in solchen Dingen mit peinlicher Vorsicht und Genauigkeit verfährt, ist nicht angestanden, die Tatsache, dass das heilige Haus von Nazareth sich nunmehr in Loreto befinde, anzuerkennen und ein eigenes Fest "der Übertragung des lauretanischen Hauses" zu gewähren. Dass Loreto ein heiliger Ort, hat auch der hl. Karl Borromäus bezeugt in seinem an Markus Sittikus gerichteten Brief, worin er Loreto als einen noch heiligeren Ort als Einsiedeln bezeichnet. Etwa 45 Päpste haben Loretos Geschichte bestätigt. Auch die Päpste, Pius IX. und Leo XIII., sprechen mit höchster Hochschätzung von Loreto. Pius IX. welchen seine Mutter, die Gräfin Mastai, in schwerer Krankheit der lieben Mutter Gottes in Loreto weihte, wurde von schwerer Krankheit dort geheilt. Leo XIII., der als Kardinal in Loreto gewesen, schreibt in seiner Jubiläums-Enzyklika am 12. März 1881: "Ausserdem ermahnen wir alle, mit frommen Sinn zu den Heiligtümern der Himmelsbewohner Wallfahrten zu machen, wie solche in verschiedenen Gegenden in besonderer Verehrung zu stehen pflegen. In Italien nimmt unter denselben das hochheilige Haus der Jungfrau Maria von Loreto einen besonderen Rang ein, mit welchem die Erinnerung der heiligsten Geheimnisse sich verbindet." Doch wir müssen noch etwas zurückgreifen, da Loreto, wie es heute vor uns steht, nicht nur das schmuck- und fundamentlose heilige Haus von Nazareth in sich begreift, sondern, wie wir oben gesehen, diesen kostbaren Kern in kostbarer Schale eingeschlossen hält. Wie man also sicher war, das wahre und echte Haus der hl. Familie zu besitzen und die wunderbaren Gebetserhörungen sich mehrten, wusste man auch, dass jetzt der Pilgerstrom immer mehr zunehmen werde. Es wurden darum für die Wallfahrtspriester Wohnungen und für die Pilger grosse Hallen errichtet. Auch Privatwohnungen wurden erbaut, bis schließlich um das Heiligtum sich eine ganze Stadt gebildet hatte, die zum Schutz gegen die Seeräuber sogar mit Mauern versehen und befestigt wurde.

Basilika

Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts wurde vom Bischof von Recanati, Nikolaus Asti, an Stelle der ersten allzu kleinen und gar einfachen Kirche, mit der das heilige Haus schon bald nach seiner Ankunft umgeben wurde, der Bau eines geräumigen und würdigen Gotteshauses begonnen. Fast hundert Jahre wurde daran gebaut (sie wurde nämlich unter Papst Pius V. begonnen und unter Sixtus V. 1587 vollendet. Der berühmte Architekt Joh. Boccalini von Carpi ist ihr Erbauer). Es ist eine grosse, prachtvolle Basilika mit vielen Kapellen an den Seiten; die den Deutschen zugeteilte Kapelle wurde in künstlerischer Weise vom berühmten Maler L. Seitz mit herrlichen Fresken geziert. Das heilige Haus selber ist in seinem Innern im ursprünglichen Zustande gelassen und von den vielen Lampen und Kerzen ganz geschwärzt. Darin befindet sich die jetzt aus dem gleichen Grunde ganz geschwärzte Muttergottesstatue mit dem Jesuskind, in kostbarster Bekleidung und im allerreichsten Schmucke von Gold, Silber und Edelsteinen. An dieses Bild knüpft sich die Entstehung der sogenannten "lauretanischen Litanei". Wenn man nämlich allabendlich das Gnadenbild vom Staube reinigte, hatte man sich diese Anrufungen der lieben Mutter Gottes dabei zur Gepflogenheit gemacht, welche später die kirchliche Gutheißung erhielten und jetzt in der Kirche allüberall gebetet und gesungen werden. Die ganz äussere Umfassung des heiligen Hauses ist mit weißem karrarischem Marmor umkleidet, jedoch so, dass diese Umkleidung gleichsam ein neues Haus bildet, indem sie überall von der Santa Casa etwas entfernt ist. Kein geringerer als der berühmte Baumeister Francesco Bramante hat 1510 den Plan dazu entworfen. Es wurde der Bau aber erst unter Papst Paul III. (1534-49) vollendet. Er ist ein Kunstwerk erster Grösse, indem die Marmorwände mit den herrlichsten und sinnvollsten Bildhauerarbeiten geschmückt sind. Da ursprünglich nur eine Türe an der Nordseite vorhanden war, ließ Papst Clemens VII. eherne Doppeltüren an der Südseite anbringen. Diejenige von Norden und eine von Süden führten in das heilige Haus. Die zweite von Süden gewährt uns den Eintritt in den sogenannten Sacro Camino. An der Westseite ist das Fenster, durch welches der Erzengel Gabriel der allerseligsten Jungfrau die Verkündigung brachte. Nebst dem Gnadenbild finden wir in dem heiligen Haus den jetzigen Altar mit reicher Verzierung und den silbernen Brustbildern der hl. Joseph und Anna; der alte Altar, der von den Aposteln herrühren soll, ist in diesem neueren eingeschlossen. Durch ein Öffnung ist er sichtbar. In einem neueren Schrank zur Linken befinden sich zwei Schüsselchen von weißem Ton mit rötlicher Einfassung und eine Schatulle, die der hl. Familie gedient hatten. Hinter dem Altar wird eine dritte Schüssel aufbewahrt, jetzt in Gold gefasst, die dem Pilger zum Kusse gereicht wird und worin er seine Andachtsgegenstände legen darf. Hier auch befindet sich an der Rückwand der Herd mit dem Kamin, wo die allerseligste Jungfrau dem Welterlöser die Speisen bereitet hat. Darüber ist das aus Zedernholz gefertigte Gnadenbild, von dem wir oben gesprochen. Das ist also Loreto. Es gibt kein grösseres Wunder im Himmel und auf Erden, als die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Und dieses Wunder hat sich in dem kleinen Häuschen von Nazareth, das jetzt in Loreto steht, vollzogen. Was Wunder, wenn die Pilger hier von der Wucht der Gefühle überwältigt sich niederwerfen und einen heißen Kuss auf die Mauern drücken, die denjenigen einst umschlossen, den Himmel und Erde nicht zu fassen vermögen. Hier hat der Sohn Gottes auch das erhabene Beispiel heiliger Unterwürfigkeit gegen seine Mutter gegeben, in seinem dreißigjährigen verborgenen Leben, und sollte es uns wundern, dass Er denen, die an diesem heiligen Orte die Mutter bitten, von ihrer mütterlichen Macht zu ihren Gunsten Gebrauch zu machen, ihr Vertrauen oft ganz wunderbar belohnt? Wie ist es doch an Loreto so sonnenklar, dass der Herr durch seiner Mutter Fürbitte uns so gerne Hilfe spenden will!

Q: Maria unsere Mutter, von Weiland P. Otto Bitschnau O.S.B., Kapitular des Stiftes Maria-Einsiedeln, Imprimatur 1909)